Deconstructing the BALKANS II

Es ist mittlerweile 2:00Uhr und ich sitze hier bei offenem Fenster, der Merlot ist halb aufgetrunken und der Himmel ist sternenklar. In solchen Momenten der Ruhe muss ich immer an den Song „Will it ever be quiet?“ der International Noise Conspiracy denken. Der Text geht wie folgt: 


I want to thank the industrialization for the noises it gave, Thanks for the planes and thanks for the trains, And for the factories that you've made, Do you remember when it was quiet down here?


Ruhe, im Sinne von geräuschlos, die Abwesenheit des Geräusches, Stille, Frieden, die Assoziationtskette lässt sich weiterspinnen. Im Serbo - kroatischen (ja, ich verwende diese Kompositum auch wenn es bestimmt einigen als Affront erscheint) als auch im Russischen und wahrscheinlich auch in den anderen slawischen Sprachen gibt es Wörter die diesen Sachverhalt der Abwesenheit des Geräusches bezeichnen: tišina, odmor, pokoj, mirovanje, mirnoća, mir. Das besondere an dem Wort „Mir“, was mich selbst auch eine halbe Ewigkeit beschäftig hat, bevor ich meinen Frieden mit ihm geschlossen habe, ist der Sachverhalt, das es zum einen  gleichzeitig die Abwesenheit des Geräusches bezeichnet aber auch den Frieden.  Also kein Geräusch gleich Frieden,  Ruhe, Gelassenheit, Erholung und so weiter. Wenn dem so ist, gab es jemals Ruhe/Stille auf der Erde, im Sinne der Abwesenheit des Geräusches? Im Deutschen hab ich kein einziges Wort gefunden das dieses ansatzweise beschreibt. Im slawischen gibt es das Wort Svemir (Sve - alles). ALLES-RUHE/FRIEDEN, somit begab ich mich auf die Reise - man könnte fast sagen pilgerte - zum Kern, dem Ursprung der Stille, des Friedens. 

Ihr werdet euch bestimmt nun fragen, was schreibt der Typ da, schwingt er sich zu einem Neo-Romatiker auf oder ist er gar ein verkappter Pathetiker und was soll das mit dem Frieden/Ruhe/ Stille, den Sternen und vor allem was hat das mit dem Balkan zu tun?

Die Beiträge „Deconstructing“ sind torisch angelegt und ich werde wieder dorthin zurückkehren, von wo ich aus diesen Beitrag angefangen habe zu schreiben.    

Das Wort „Mir“ findet seinen Ursprung im  adamitischen Wort „hφeζ-“, was so viel heisst wie „auffallend schmeckend“  geht dann über „hmeд-“ Honig, süß, lieb. Die Wortbedeutung „lieb“ wird diachron beibehalten bis man bei dem Iranischen angelangt ist und es zu der  Bedeutungsverschiebung/-vermischung aus dem ursprünglich Japhetischen „mei-“ (binden) hin zu „miϑra“- „Vertrag, Abmachung, Kontrakt, religiöse Verpflichtung, Gott Mithra“ kommt. Im Vorslawischen verschiebt sich die Bedeutung zu mīr- 'gute Ordnung', bis man es im altslawischen als „миръ (ḿirŭ) “Friede, Kosmos“ verwendet und man  es dann im slawischen als Friede und Ruhe verwendet.

Auffallend schmeckend, Honig, süß, lieb, binden, Vertrag, Abmachung, Kontrakt, religiöse Verpflichtung, Gott Mithra, gute Ordnung, Friede, Kosmos, die Spur ist gelegt und wir sind auf der Flucht vor der Metaphysik des „Präsenz“ und der partikularen Wahrnehmung.

Kennt ihr noch den „Wunderblock“? Das Spielzeug mit dem man wunderbar malen, seine ersten Schreibübungen machen konnte und bei Nicht-Gefallen mit einem Wisch alles ausradiert wurde, was soeben von Kinderhänden kreirt wurde? Alles scheint ausradiert, dennoch bleiben Abdrücke, Kratzer, die immer auf das vorherige verweisen..... das ist die Spur übertragen auf das historische, kulturelle, konstruierte, um sich eben von diesen frei zu machen.

„Die Schrift ergänzt die Wahrnehmung, noch bevor diese sich selbst erscheint. Das 'Gedächtnis' oder die Schrift sind die Eröffnung dieses Erscheinens selbst. Das 'Wahrgenommene' lässt sich nur als Vergangenes, unter der Wahrnehmung und nach ihr lesen.“ 
( Jaques Derrida: Die Schrift und die Differenz,1972, S.341)