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Deconstructing the BALKANS III

Ich fass mal zusammen, worum es in den vorangegangenen Beiträgen ging:


Deconstructing the Balkans:


Im weitesten Sinne ging es in diesem Beitrag um Sprachspiele, wie sich (Wort-) Bedeutungen verändern (Abkopplung) und wieder neu zusammensetzen (Rückkopplung) im Kontext des Saussurschen Semiotiksystems.


Deconstructing the Balkans II:


Hier ging es im wesentlichen um die Genealogie des Wortes "Mir" und die Verschiebung seiner Bedeutung von Auffallend schmeckend, Honig, süß, lieb, binden, Vertrag, Abmachung, Kontrakt, religiöse Verpflichtung, Gott Mithra, gute Ordnung, Friede, Kosmos.


Imagine the people:


Liest man Maria Todorovas "Die Erfindung des Balkans" (Imagining the Balkans) wird man in die hohe Kunst der Stereotypisierung eingeführt und zum anderen wie das Geschäft "Wissenschaft" funktioniert.

Der Inhalt dieses Buches lässt sich am besten mit Todorovas eigenen Worten wiedergeben:

"The central idea of Imagining the Balkans is that there is a discourse, which I term Balkanism, that creates a stereotype of the Balkans, and politics is significantly and organically intertwined with this discourse. When confronted with this idea, people may feel somewhat uneasy, especially on the political scene..."
Uhmm, versteht mich nicht falsch, ich finde das Buch super, wenn man es vor der Folie "Die Geschichte des ungeliebten Balkan" liest. Ich erinnere mich noch an die Sitzung des Kolloquiums bei Prof. Dr. Fikret Adanir in der auch Frau Todorova eingeladen war, bevor sie einen Vortrag am Historischen Institut der RUB zu halten hatte. Man unterhielt sich über die angegangen Projekte eines jeden und eine Doktorandin meinte, sie schreibe grad ihre fast fertig Doktorarbeit um, da ihr diese nicht postmodern genug sei.... "Oh,oh, Diskurs ick hör dir trapsen".

Und wie wir alle wissen ist zeit relativ, der Raum ist gekrümmt und im Endeffekt ist alles Geld.

Das Problem bei Historikern ist, das sie sich gern interdisziplinär geben und versuchen die neuen akademischen Hypes aufzusaugen, aber dennoch nicht schaffen über ihren eigenen historischen Schatten zu springen. Die geübte Kritik Holm Sundhausens an Todorovas Werk hat gewiss eine Berechtigung und folgt eher dem Topos des "vergessenen" und zu recht (historisch-)konstruierten Balkans und dem wiederaufleben des Balkanbildes, welches sich ab 1870 sowohl in der medialen Öffentlichkeit als auch im akademischen Diskurs verfestigte."Die Erfindung des Balkans" erinnert mich an die Omelette-Folge bei JackAss. Dort verschlingt der vermeintliche Koch die gesamten Zutaten roh, um sie dann wieder auszukotzen und zu braten, um daraus ein Omelette zu zaubern. In den letzten 15 Jahren sind die Arbeiten von Michel Foucault zu einem Hype avanciert, dem sich nahezu alle mit dem "Menschen" beschäftigenden Akademiker angeschlossen haben. Wir lassen mal die ganzen anderen postmodernen Denker wie Derrida, Deleuze, Barthes, Baudrillard, Lacan, etc beiseite.

Man kann Todorova nur bedingt vorwerfen, das sie auf der Diskurswelle reitet und sich dem Zeitgeist angepasst hat, aber was mich persönlich an vielen Arbeiten aus den 90er Jahren stört und das trifft nicht nur Todorovas Werks zu, ist der vereinfachte Umgang mit der Theorie Foucaults.


Man nehme folgende Zutaten:

Der Titel: Fügen Sie eine Prise des Gewürzes "Erfindung" bei, das sichert Ihnen den Duft des " Konstruktivismus".

These: Achten Sie penibelst darauf folgenden Gewürze in genau diesem Verhältnis zu mischen: nehmen Sie zur Hälfte das dem Curry ähnliche Gewürz "Diskurs" ( Vorsicht bei Kauf dieses Gewürzes, minderwertige Ware tarnt sich oft als "Diskurs" und ist meist neo-marxistisch /neo-liberal/ neokonservativ. Dies finden sie raus, indem sie entweder mit dem linken, rechten oder mit beiden Nasenflügeln daran riechen.) Fügen Sie weiter zu einem Viertel die dem Soßenbinderähnlichen "Berichte" hinzu. Achten sie dabei immer auf ihre Bezugsquellen, geeignet sind folgende Marken: Öffentlichkeit, Wissenschaft, Politik, Perspektive. Sie können aber auch alle vier kaufen und sie entweder chronologisch oder direkt in einer Menge zusammenfügen. Natürlich empfiehlt es sich die letztere Variante, wenn sie erfahren sind, zu nehmen, dies gibt dem ganzen eine omnipräsente Nuance, die an all ihren Geschmacksnerven kitzelt und dem Koster suggeriert Sie wären die Reinkarnation Paul Bocuses. Das letzte Viertel das Sie hinzufügen, welches Ihrem Werk dann den Anschein einer eigenen Kreation gibt, können Sie nach Gutdünken selbst entscheiden. Es ist unglaublich aber Sie selbst haben die freie Wahl, dennoch empfiehlt es sich aus rein Vegetarischem ( Kunstgeschichte, Architektur, etc ) oder aus dem Carnivoren (Geschichte, Rassismus, etc) zu wählen.



Fazit: Wenn der Titel und die These die Pflicht waren, dann ist das Fazit die Kür. Richten Sie ihr Werk so an, das es niemanden schlecht bekommt, allenfalls sollte es bei den Betroffenen ein flaues Magengefühl und ein gewisses Interesse hervorrufen ihre Geschmacksnerven weiter zu trainieren.


Ok, nun mal Butter bei die Fische. Was mich meist an solchen postmodernen Werken stört, ist dieses lapse umgehen mit dem Diskurs. Die erste Frage die sich stellt, wenn man Foucault folgt, ist immer die des "Autors". Wer spricht da eigentlich bzw. wie erhält der Diskurs den Anschein, das er nicht durch akademische/öffentliche Diskussionen determiniert ist, sondern vielmehr als ein "Faktum" bzw als umumstößliche Wahrheit aufgefasst wird? Dies bleibt bei der "Erfindung des Balkans" offen. Es wird zwar das Balkanbild aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet (Reiseberichte, Geschichte, Politik), dennoch bleibt die Frage offen, warum grade dieses Bild und warum dieser Konsens der negativen Konnotation des Balkans? Um es kurz zu halten lassen es wir es doch Foucault mit seinen eigenen Worten sagen: Der Diskurs bezeichnet viel grundsätzlicher den Vorgang der Herausbildung jener Wahrheiten, "in denen wir uns unser Sein zu denken geben". Was jeweils als "vernünftig" gilt, ist die Wirkung von "unpersönlichen und kontingenten Machtwirkungen". Weiter sagt Foucault: Wir verstehen unter einem Dispositiv „ein entschieden heterogenes Ensemble, das Diskurse, Institutionen, architektonische Einrichtungen, reglementierende Entscheidungen, Gesetze, administrative Maßnahmen, wissenschaftliche Aussagen, philosophische, moralische oder philanthropische Lehrsätze, kurz: Gesagtes ebensowohl wie Ungesagtes umfasst. Soweit die Elemente des Dispositivs. Das Dispositiv ist das Netz, das zwischen diesen Elementen geknüpft ist“. Ich möchte noch mal hervorheben, das genau dieses ungesagte, jenes welches im Lichte des Wissen der jeweiligen Zeit verdunkelt bleibt, eben den Diskurs viel vehementer bestimmt als das was gesagt wird und der Historiker dann als Quelle bezeichnet. Dies heisst aber nicht im Umkehrschluss, das es für das Ungesagte keinen Quellen gäbe. Genau das ist die Kritik, die ich an Todorova habe. Sie betreibt Narrativität der Narrativität oder um es positiver und in bester Luhmannscher Tradition zu sagen: Sie beobachtet die Beobachter. Aber Todorova bietet keinen Erklärungsansatz, warum der Diskurs "Balkan" so ist wie er ist, wo er seine Wurzeln hat und vorallem warum ist das westliche Bild vom Balkan so negativ. Da reicht auch nicht die Begründung der "Anderen", um sich abzugrenzen und auch nicht das interdisziplinäre balkanische-Gehabe.


Umpf, eigentlich wollte ich in diesem Beitrag was ganz anderes Schreiben, aber habe mir vor ein paar Tagen "Die Erfindung des Balkans" geschnappt und beim überfliegen des Buches meine alten Notizen gelesen. Denke mal das war wieder harter Tobak und wie immer ein wenig Musik:






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Deconstructing the BALKANS II

Es ist mittlerweile 2:00Uhr und ich sitze hier bei offenem Fenster, der Merlot ist halb aufgetrunken und der Himmel ist sternenklar. In solchen Momenten der Ruhe muss ich immer an den Song „Will it ever be quiet?“ der International Noise Conspiracy denken. Der Text geht wie folgt: 


I want to thank the industrialization for the noises it gave, Thanks for the planes and thanks for the trains, And for the factories that you've made, Do you remember when it was quiet down here?


Ruhe, im Sinne von geräuschlos, die Abwesenheit des Geräusches, Stille, Frieden, die Assoziationtskette lässt sich weiterspinnen. Im Serbo - kroatischen (ja, ich verwende diese Kompositum auch wenn es bestimmt einigen als Affront erscheint) als auch im Russischen und wahrscheinlich auch in den anderen slawischen Sprachen gibt es Wörter die diesen Sachverhalt der Abwesenheit des Geräusches bezeichnen: tišina, odmor, pokoj, mirovanje, mirnoća, mir. Das besondere an dem Wort „Mir“, was mich selbst auch eine halbe Ewigkeit beschäftig hat, bevor ich meinen Frieden mit ihm geschlossen habe, ist der Sachverhalt, das es zum einen  gleichzeitig die Abwesenheit des Geräusches bezeichnet aber auch den Frieden.  Also kein Geräusch gleich Frieden,  Ruhe, Gelassenheit, Erholung und so weiter. Wenn dem so ist, gab es jemals Ruhe/Stille auf der Erde, im Sinne der Abwesenheit des Geräusches? Im Deutschen hab ich kein einziges Wort gefunden das dieses ansatzweise beschreibt. Im slawischen gibt es das Wort Svemir (Sve - alles). ALLES-RUHE/FRIEDEN, somit begab ich mich auf die Reise - man könnte fast sagen pilgerte - zum Kern, dem Ursprung der Stille, des Friedens. 

Ihr werdet euch bestimmt nun fragen, was schreibt der Typ da, schwingt er sich zu einem Neo-Romatiker auf oder ist er gar ein verkappter Pathetiker und was soll das mit dem Frieden/Ruhe/ Stille, den Sternen und vor allem was hat das mit dem Balkan zu tun?

Die Beiträge „Deconstructing“ sind torisch angelegt und ich werde wieder dorthin zurückkehren, von wo ich aus diesen Beitrag angefangen habe zu schreiben.    

Das Wort „Mir“ findet seinen Ursprung im  adamitischen Wort „hφeζ-“, was so viel heisst wie „auffallend schmeckend“  geht dann über „hmeд-“ Honig, süß, lieb. Die Wortbedeutung „lieb“ wird diachron beibehalten bis man bei dem Iranischen angelangt ist und es zu der  Bedeutungsverschiebung/-vermischung aus dem ursprünglich Japhetischen „mei-“ (binden) hin zu „miϑra“- „Vertrag, Abmachung, Kontrakt, religiöse Verpflichtung, Gott Mithra“ kommt. Im Vorslawischen verschiebt sich die Bedeutung zu mīr- 'gute Ordnung', bis man es im altslawischen als „миръ (ḿirŭ) “Friede, Kosmos“ verwendet und man  es dann im slawischen als Friede und Ruhe verwendet.

Auffallend schmeckend, Honig, süß, lieb, binden, Vertrag, Abmachung, Kontrakt, religiöse Verpflichtung, Gott Mithra, gute Ordnung, Friede, Kosmos, die Spur ist gelegt und wir sind auf der Flucht vor der Metaphysik des „Präsenz“ und der partikularen Wahrnehmung.

Kennt ihr noch den „Wunderblock“? Das Spielzeug mit dem man wunderbar malen, seine ersten Schreibübungen machen konnte und bei Nicht-Gefallen mit einem Wisch alles ausradiert wurde, was soeben von Kinderhänden kreirt wurde? Alles scheint ausradiert, dennoch bleiben Abdrücke, Kratzer, die immer auf das vorherige verweisen..... das ist die Spur übertragen auf das historische, kulturelle, konstruierte, um sich eben von diesen frei zu machen.

„Die Schrift ergänzt die Wahrnehmung, noch bevor diese sich selbst erscheint. Das 'Gedächtnis' oder die Schrift sind die Eröffnung dieses Erscheinens selbst. Das 'Wahrgenommene' lässt sich nur als Vergangenes, unter der Wahrnehmung und nach ihr lesen.“ 
( Jaques Derrida: Die Schrift und die Differenz,1972, S.341)




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Deconstructing the BALKANS

Gehen wir mal davon aus das "Balkan" einfach ein Name/ Bezeichnung ist und nicht ein Charakter / eine Beschaffenheit. Nehmen wir dazu noch als Basis das System des Ferdinand Saussure in dem die Bezeichnung immer in direkter Beziehung zu dem Bezeichneten steht, da beide als Einheit existieren. Dabei stellt sich die Frage ob es überhaupt eine Übereinstimmung von WORT und GEGENSTAND / GEDANKEN geben kann? Werden stattdessen nicht Bezeichnung und Bezeichnetes kontinuierlich voneinander abgekoppelt und durch Rekombination wieder zurückgekoppelt? Wir haben WORT/GEDANKE/GEGENSTAND/ (RÜCK-)KOPPLUNG im Gedanken. Dieser Prozess erscheint uns als stringent und wird als Ursache/Wirkung gedeutet. Wagen wir mal zu behaupten das dem nicht so ist und das dieser Prozess ein simultaner sei. Weiter behaupten wir mal, dass, als sich der geographische Begriff "Balkan" festigte, dieser sich auch simultan von dem geographischen loslöste und mit sozio-kulturellen Implikationen auflud und rückoppelte.


Ethymologie: 

Der Historiker Hilal Inalcik hat von den verschiedenen Etymologien  die persisch   türkische von Erens bevorzugt, die das Wort von Schlamm (balk) mit dem türkischen Verkleinerungssuffix  an ableitete. Es hat aus der präosmanischen Ara keine dokumentierte Erwähnung des Wortes gegeben, abgesehen von der Tatsache, dass turk  oder turkiranische Stamme sich auf der Halbinsel angesiedelt hatten oder durchgezogen waren. Diese spielten eine bedeutende Rolle in der ungarischen, bulgarischen und rumänischen Geschichte. Auf der anderen Seite existiert der Begriff Balkan als der Name für zwei Bergketten in der Gegend östlich des Kaspischen Meeres, vom elften Jahrhundert an dicht bevölkert mit turkmenischen Stammen. Dies hat der weniger populären Hypothese Vorschub geleistet, dass der Name präosmanischen Ursprungs sein konnte mit einer möglichen, vom persischen „Bala   Khana“ abgeleiteten Etymologie, das heißt großes, hohes, stolzes Haus und während des elften und zwölften Jahrhunderts von Kumanen, Petschenegen und anderen Turk Stammen zur Halbinsel gebracht wurde, die sich an die Balkhanketten erinnert fühlten und ihn für den Haemus benutzten. Schliessliech existiert auch die unwissenschaftliche Behauptung, der Name sei proto bulgarischen Ursprungs. Sie verdient alleine schon deshalb eine Erwähnung, weil sie heutzutage wieder aufgegriffen wird und weil sie die bedeutende Stellung veranschaulicht, die dieser Gedanke unter den Bulgaren hat.



Das war wohl erstmal harter Tobak, hier mal was für alle WM-wütigen:



"As you can see Nietzsche has just been booked for argueing with the referee. He accused Confuzius of having no free will. And Confuzius he say: Name go in book"

"Hegel is arguing that the reality is merely an a priori adjunct of non-naturalistic ethics, Kant via the categorical imperative is holding that ontologically it exists only in the imagination, and Marx is claiming it was offside."