Ich fass mal zusammen, worum es in den vorangegangenen Beiträgen ging:
Deconstructing the Balkans:
Im weitesten Sinne ging es in diesem Beitrag um Sprachspiele, wie sich (Wort-) Bedeutungen verändern (Abkopplung) und wieder neu zusammensetzen (Rückkopplung) im Kontext des Saussurschen Semiotiksystems.
Deconstructing the Balkans II:
Hier ging es im wesentlichen um die Genealogie des Wortes "Mir" und die Verschiebung seiner Bedeutung von Auffallend schmeckend, Honig, süß, lieb, binden, Vertrag, Abmachung, Kontrakt, religiöse Verpflichtung, Gott Mithra, gute Ordnung, Friede, Kosmos.
Imagine the people:
Liest man Maria Todorovas "Die Erfindung des Balkans" (Imagining the Balkans) wird man in die hohe Kunst der Stereotypisierung eingeführt und zum anderen wie das Geschäft "Wissenschaft" funktioniert.
Der Inhalt dieses Buches lässt sich am besten mit Todorovas eigenen Worten wiedergeben:
"The central idea of Imagining the Balkans is that there is a discourse, which I term Balkanism, that creates a stereotype of the Balkans, and politics is significantly and organically intertwined with this discourse. When confronted with this idea, people may feel somewhat uneasy, especially on the political scene..."
Uhmm, versteht mich nicht falsch, ich finde das Buch super, wenn man es vor der Folie "Die Geschichte des ungeliebten Balkan" liest. Ich erinnere mich noch an die Sitzung des Kolloquiums bei Prof. Dr. Fikret Adanir in der auch Frau Todorova eingeladen war, bevor sie einen Vortrag am Historischen Institut der RUB zu halten hatte. Man unterhielt sich über die angegangen Projekte eines jeden und eine Doktorandin meinte, sie schreibe grad ihre fast fertig Doktorarbeit um, da ihr diese nicht postmodern genug sei.... "Oh,oh, Diskurs ick hör dir trapsen".
Und wie wir alle wissen ist zeit relativ, der Raum ist gekrümmt und im Endeffekt ist alles Geld.
Das Problem bei Historikern ist, das sie sich gern interdisziplinär geben und versuchen die neuen akademischen Hypes aufzusaugen, aber dennoch nicht schaffen über ihren eigenen historischen Schatten zu springen. Die geübte Kritik Holm Sundhausens an Todorovas Werk hat gewiss eine Berechtigung und folgt eher dem Topos des "vergessenen" und zu recht (historisch-)konstruierten Balkans und dem wiederaufleben des Balkanbildes, welches sich ab 1870 sowohl in der medialen Öffentlichkeit als auch im akademischen Diskurs verfestigte."Die Erfindung des Balkans" erinnert mich an die Omelette-Folge bei JackAss. Dort verschlingt der vermeintliche Koch die gesamten Zutaten roh, um sie dann wieder auszukotzen und zu braten, um daraus ein Omelette zu zaubern. In den letzten 15 Jahren sind die Arbeiten von Michel Foucault zu einem Hype avanciert, dem sich nahezu alle mit dem "Menschen" beschäftigenden Akademiker angeschlossen haben. Wir lassen mal die ganzen anderen postmodernen Denker wie Derrida, Deleuze, Barthes, Baudrillard, Lacan, etc beiseite.
Man kann Todorova nur bedingt vorwerfen, das sie auf der Diskurswelle reitet und sich dem Zeitgeist angepasst hat, aber was mich persönlich an vielen Arbeiten aus den 90er Jahren stört und das trifft nicht nur Todorovas Werks zu, ist der vereinfachte Umgang mit der Theorie Foucaults.
Man nehme folgende Zutaten:
Der Titel: Fügen Sie eine Prise des Gewürzes "Erfindung" bei, das sichert Ihnen den Duft des " Konstruktivismus".
These: Achten Sie penibelst darauf folgenden Gewürze in genau diesem Verhältnis zu mischen: nehmen Sie zur Hälfte das dem Curry ähnliche Gewürz "Diskurs" ( Vorsicht bei Kauf dieses Gewürzes, minderwertige Ware tarnt sich oft als "Diskurs" und ist meist neo-marxistisch /neo-liberal/ neokonservativ. Dies finden sie raus, indem sie entweder mit dem linken, rechten oder mit beiden Nasenflügeln daran riechen.) Fügen Sie weiter zu einem Viertel die dem Soßenbinderähnlichen "Berichte" hinzu. Achten sie dabei immer auf ihre Bezugsquellen, geeignet sind folgende Marken: Öffentlichkeit, Wissenschaft, Politik, Perspektive. Sie können aber auch alle vier kaufen und sie entweder chronologisch oder direkt in einer Menge zusammenfügen. Natürlich empfiehlt es sich die letztere Variante, wenn sie erfahren sind, zu nehmen, dies gibt dem ganzen eine omnipräsente Nuance, die an all ihren Geschmacksnerven kitzelt und dem Koster suggeriert Sie wären die Reinkarnation Paul Bocuses. Das letzte Viertel das Sie hinzufügen, welches Ihrem Werk dann den Anschein einer eigenen Kreation gibt, können Sie nach Gutdünken selbst entscheiden. Es ist unglaublich aber Sie selbst haben die freie Wahl, dennoch empfiehlt es sich aus rein Vegetarischem ( Kunstgeschichte, Architektur, etc ) oder aus dem Carnivoren (Geschichte, Rassismus, etc) zu wählen.
Fazit: Wenn der Titel und die These die Pflicht waren, dann ist das Fazit die Kür. Richten Sie ihr Werk so an, das es niemanden schlecht bekommt, allenfalls sollte es bei den Betroffenen ein flaues Magengefühl und ein gewisses Interesse hervorrufen ihre Geschmacksnerven weiter zu trainieren.
Ok, nun mal Butter bei die Fische. Was mich meist an solchen postmodernen Werken stört, ist dieses lapse umgehen mit dem Diskurs. Die erste Frage die sich stellt, wenn man Foucault folgt, ist immer die des "Autors". Wer spricht da eigentlich bzw. wie erhält der Diskurs den Anschein, das er nicht durch akademische/öffentliche Diskussionen determiniert ist, sondern vielmehr als ein "Faktum" bzw als umumstößliche Wahrheit aufgefasst wird? Dies bleibt bei der "Erfindung des Balkans" offen. Es wird zwar das Balkanbild aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet (Reiseberichte, Geschichte, Politik), dennoch bleibt die Frage offen, warum grade dieses Bild und warum dieser Konsens der negativen Konnotation des Balkans? Um es kurz zu halten lassen es wir es doch Foucault mit seinen eigenen Worten sagen: Der Diskurs bezeichnet viel grundsätzlicher den Vorgang der Herausbildung jener Wahrheiten, "in denen wir uns unser Sein zu denken geben". Was jeweils als "vernünftig" gilt, ist die Wirkung von "unpersönlichen und kontingenten Machtwirkungen". Weiter sagt Foucault: Wir verstehen unter einem Dispositiv „ein entschieden heterogenes Ensemble, das Diskurse, Institutionen, architektonische Einrichtungen, reglementierende Entscheidungen, Gesetze, administrative Maßnahmen, wissenschaftliche Aussagen, philosophische, moralische oder philanthropische Lehrsätze, kurz: Gesagtes ebensowohl wie Ungesagtes umfasst. Soweit die Elemente des Dispositivs. Das Dispositiv ist das Netz, das zwischen diesen Elementen geknüpft ist“. Ich möchte noch mal hervorheben, das genau dieses ungesagte, jenes welches im Lichte des Wissen der jeweiligen Zeit verdunkelt bleibt, eben den Diskurs viel vehementer bestimmt als das was gesagt wird und der Historiker dann als Quelle bezeichnet. Dies heisst aber nicht im Umkehrschluss, das es für das Ungesagte keinen Quellen gäbe. Genau das ist die Kritik, die ich an Todorova habe. Sie betreibt Narrativität der Narrativität oder um es positiver und in bester Luhmannscher Tradition zu sagen: Sie beobachtet die Beobachter. Aber Todorova bietet keinen Erklärungsansatz, warum der Diskurs "Balkan" so ist wie er ist, wo er seine Wurzeln hat und vorallem warum ist das westliche Bild vom Balkan so negativ. Da reicht auch nicht die Begründung der "Anderen", um sich abzugrenzen und auch nicht das interdisziplinäre balkanische-Gehabe.
Umpf, eigentlich wollte ich in diesem Beitrag was ganz anderes Schreiben, aber habe mir vor ein paar Tagen "Die Erfindung des Balkans" geschnappt und beim überfliegen des Buches meine alten Notizen gelesen. Denke mal das war wieder harter Tobak und wie immer ein wenig Musik: