Mittlerweile ist es 0:40 Uhr und dieses Thema lässt mich nicht in Ruhe. Nachdem ich mich erstmal durch den Templatewahn des Blogoversums - das ist wohl der Geek in mir - durchgewühlt habe, um das mir am meisten zusagende Layout zu finden und entsprechend zu layouten, bin ich nun endlich dazu gekommen die anderen Blogs der Kursteilnehmer zu lesen.
Da ich an der ersten Sitzung nicht teilgenommen habe, werde ich nun versuchen in freier Assoziation zu beschreiben was der Balkan für mich ist.
Ja, hmmm, was wir alle gemeinsam haben ist wohl das man das gar nicht genau sagen kann was der Balkan ist. Um ehrlich zu sein bin ich erst spät mit dem Begriff "Balkan" in Berührung gekommen. Das war so Ende der 80er, Anfang der 90er und ich erinnere mich noch wie sich innerhalb eines Monats der Muttersprachliche Unterricht, den ich damals besucht habe, komplett aufgelöst hat. Damals war ich noch relativ jung und hatte in die politischen Ereignisse Jugoslawiens so gut wie keinen Einblick - geschweige denn das ich sie verstehen konnte. In Retrospektive weiss ich noch das wir von Unterrichtsstunde zu Unterrichtsstunde immer weniger wurden, nach und nach waren immer weniger Kroaten und Muslime da und es war echt seltsam das mit anzusehen, da viele von uns seit der Grundschule die gleiche Klasse besuchten. So langsam fing ich an durch die Medien zu realisieren was passierte, dieser Eindruck, das etwas faul sei im Staate Jugoslawien, verstärkte sich zusätzlich als wir 1991 in Dalmatien nahe der "
Krajina" die alljährliche Sommerferien Urlaubstour machten. Wenige Wochen nachdem wir zurück in Deutschland waren ging es dann auch los mit den ersten "kriegsähnlichen" Eskalationen. Naja, um das ganze mal etwas abzukürzen, da mich Morpheus in seinen Armen erwartet, kam ich durch die Medien in Kontakt mit dem vielzitierten Begriff "Pulverfass Balkan". Klar hatte ich schon einen Einblick in die Geschichte und die Ereignissen des 2 WK, dennoch war das ganze für mich eine unschöne Episode in der Geschichte der "Südslaven", da wir in der Schule immer auf die Einheit derselben verwiesen wurden. So erschien es einem selbst das der Balkan sich immer mehr zu einem Bild der Barbarei und dem fehlen jeglicher Zivilisation formte.
Dies hört sich jetzt nun recht negativ an was ich mit dem Balkan verbinde, aber dem ist nicht so.
Meine persönlichen Gefühle gegenüber diesem Teil Europas, egal welche Bezeichnungen ihm nun historisch eingeschrieben wurden, sind mehr als Positiv. Ich sehe mich noch als kleiner Junge, der dort fast jegliche Freiheit genoss. Das fängt beim Bau von Baumhäusern auf dem riesigen Hof meiner Großeltern in Bosnien an, das Führen der Tiere zur Tränke, geht weiter über das Heu mähen bei dem sich das halbe Dorf versammelte, um zu helfen, zu unseren artistischen Sprungeinlagen in der Scheune wo das Heu gelagert wurde. Je älter ich wurde, desto mehr war es auch die "Ausnahmestellung" des Jugoslawischen Sozialismus, die besonderen Tattoos meiner Oma und vieler anderer Frauen in ihrem Alter..... Ich könnte jetzt weiter und weiter schreiben, aber das was mich am meisten beeindruckt hat - wenn das nun mein Vater liest, wird er mich nur noch "Mujo" nennen - waren die Momente der Ruhe nachdem der Muezzin zum Gebet gerufen hat. Ich habe für diese Momente keinen Vergleich, aber es waren genau diese Momente in denen man einfach das Gefühl hatte einen gewissen "Frieden" zu verspüren abseits der sonst alltäglichen Hektik der (Groß-) Städte.
Genau aus diesem Grunde stimme ich dem Stefan, den man auch liebevoll den Berhard Grizmek des Balkan taufen könnte, zu: "Der Balkan darf nicht sterben!".
Anbei ein Zitat Walter Benjamins, mit dem ich mich als Historiker sehr gern beschäftige, welches für mich einen gewissen Charme/ Reiz ausübt und auch das Bild auf dieses Thema "Balkan" am besten beschreibt:

"Es gibt ein Bild von Klee, das Angelus Novus heißt. Ein Engel ist darauf dargestellt, der aussieht, als wäre er im Begriff, sich von etwas zu entfernen, worauf er starrt. Seine Augen sind aufgerissen, sein Mund steht offen und seine Flügel sind ausgespannt. Der Engel der Geschichte muß so aussehen. Er hat das Antlitz der Vergangenheit zugewendet. Wo eine Kette von Begebenheiten vor uns erscheint, da sieht er eine einzige Katastrophe, die unablässig Trümmer auf Trümmer häuft und sie ihm vor die Füße schleudert. Er möchte wohl verweilen, die Toten wecken und das Zerschlagene zusammenfügen. Aber ein Sturm weht vom Paradiese her, der sich in seinen Flügeln verfangen hat und so stark ist, daß der Engel sie nicht mehr schließen kann. Dieser Sturm treibt ihn unaufhaltsam in die Zukunft, der er den Rücken kehrt, während der Trümmerhaufen vor ihm zum Himmel wächst. Das, was wir den Fortschritt nennen, ist dieser Sturm."
aus: Walter Benjamin:
Über den Begriff der Geschichte, Geschichtsphilosophische These IX.