Oldschool Primitives
Wahrscheinlich denkt ihr jetzt, was ist denn das für ein bescheuerter Titel.... So hab ich auch gedacht! Mir ist aber als ich heute noch mal über diese Tattoos nachgedacht habe der Begriff der Neo-Primitives in den Sinn gekommen. Naja, die Präposition "Neo" find ich an und für sich schon fragwürdig. Irgendwie ist ja das meiste was sich mit dieser Vorsilbe tarnt, antiquiert, aus der Mode oder sieht grad den "Zeitgeist" im Zug winkend vorbeifahren. Kurz und knapp: Same shit different packaging....Dabei denke ich an Begriffe wie Neo - Konservatismus , Neo - Liberalismus, Neo - rave etc
Ok, Back to topic. Hier seht ihr ein Bild was gar nicht so untypisch war in Bosnien bis in die 80er Jahre. Frauen mit tattoowierten Händen in traditioneller Kleidung. Ein bisschen weiss ich zwar darüber, aber würde mir hier nicht zutrauen den Ursprung dieser Tattoos mit meinen gefährlichem Halbwissen zu erklären. Da sind wir Historiker der Fokus-Redaktion recht ähnlich. Bei denen heisst es ja bekanntlich Fakten,Fakten,Fakten und dabei nicht an die Leser denken. Bei meiner online Recherche bin ich auf insgesamt 3 Bilder gestossen, die dieses Phänomen zeigen. Dann natürlich als ganz vorbildlicher Historiker ( Haha, selbst nen Vogel zeig! Anm. des Autors) erstmal die Literatur sichten, um dann ganz Homer Simpson like ein "Duh" abzulassen, da ich so gut wie nichts zu diesem Thema gefunden habe.
Hier ist erstmal das was ich gefunden habe:
Ciro Truhelka: Die Tätowirung bei den Katholiken Bosniens und der Hercegovina (published in Wissenschaftliche Mittheilungen Aus Bosnien und der Hercegovina, herausgegeben vom Bosnisch-Hercegovinischen Landesmuseum in Sarajevo, redigiert von Dr. Moriz Hoernes, Vierter Band, Wien 1896)
Karl Kaser von Böhlau: Hirten, Kämpfer, Stammeshelden. Ursprünge und Gegenwart des balkanischen Patriarchats
Danke für den Literatur Hinweis, Stefan!
Wer noch Interesse an dem Buch hat, gibt es als freies eBook beim Project Gutenberg:
Durham M. Edith - Twenty years of Balkan Tangle, London 1920
7 Kommentare:
Welche Bedeutung haben diese Tätowierungen? Hat das Ganze nen religiösen Hintergrund oder geht es in erster Linie um die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe, Familie was auch immer deutlich zu machen?
Viele Kopten in Ägypten tragen auf der Hand zwischen Daumen und Zeigefinger ein, vom Stil her ähnlich aussehendes Kreuz. Sie lassen es tätowieren, um ihre Religionszugehörigkeit kenntlich zu machen, soweit mir gesagt wurde...
Ist es hier genauso? - steht ja was von "der Katholiken Bosniens und der Hercegovina"
Hey,
sicherlich haben die Tattoos einen religiösen Hintergrund, der nicht von der Hand zu weisen ist.
Aber aus welcher Motivation diese entstanden sind kann ich nicht beantworten und ich habe auch nur die zwei wissenschaftlichen Abhandlungen, die in dem Post aufgeführt sind, gefunden. Die in schwarzer Schrift ist direkt mit Google Books verlinkt. ;)
Alle anderen Begründungen, die ich aus Gesprächen erfahren habe sind eher Instrumentaliserungen, die sich auf die Osmanenherrschaft beziehen und wie schlecht es doch den Christen unter den Osmanen ergangen sei. Von daher taugen die wenig, um das ganze wissenschaftlich zu fassen, da es in diesen Begründungen eher in die Richtung "Wir gegen Die" und "Schau an was die uns angetan haben" geht.
Dabei ist ja auch nicht von der Hand zu weisen das es vielen Christen unter den osmanischen Herrschaft gut ging. Man denke nur an die Häretiker, etc.
diese tätowierungen werden auch von NOEL MALCOLM in seiner "geschichte bosniens" erwähnt - es gibt dazu feldforschung aus den 1920er jahren:
DURHAM - Twenty Years of Balkan Tangle, London 1920
da man bei archäologischen ausgrabungen tätowiernadeln gefunden hat, gibt es eine theorie, dass diese tätowierungen VORSLAWISCHEN ursprung haben, also so etwas sind wie UR-BALKAN - man findet sie auch bei den albanern.
das wäre übrigens mal ein GEILES thema für Seminar- oder Bachelor-Arbeit! :)
ja, cool!
DURHAM - Twenty Years of Balkan Tangle, London 1920 , Hast Du das? bzw. Gibt es das an der Uni? Wenn es das in der historichen Bibl. gäbe, wüsste ich das...
die Durham-Sache gibt es über fernleihe! bestell das mal und sag mir bescheid! :)
Öhm... ja.
Finde gerade irgendwie keinen Zugang zu diesem Thema. :-)
Ausdruck von Glauben und Religionszugehörigkeit sind oft durch Äusserlichkeiten erkennbar. Seien es spezielle Kleindungsstile (denke da an die Amish oder Mormonen), Gegenstände (Rosenkranz, Kreuzketten usw.) oder Verhaltensweisen (Bekreuzigen, stilles Gebet). Da passen diese Tätowierungen sehr gut hinein, eventuell sind sie ja nichtmal dauerhaft, sondern wie Henna-Hautbilder nur zu besonders feierlichen Anlässen aufgetragen.
Da Henna auch in der islamischen Welt verbreitet ist, kann es sich hier um einen Kulturaustausch bzw. eine Adaption eines Gebrauchs der anderen "religiösen Seite" handeln.
@kannix
Ich tendiere auch eher in die Richtung das die Tradition aus der Vorchristlichen Zeit stammte und nicht auf Kulturaustausch basiert. Evtl. könnte man es als mimetischen Akt interprtieren bei dem es um Abgrenzung geht. Aber abgrenzen von wem oder was? Erstaunlicherweise gibt es die Tattoos nur bei Frauen was diese Symbolik angeht.
Klassisch:
Tribalismus (Stammestum, englisch tribalism) bezeichnet eine Sichtweise der (gesamten) Gesellschaft als eine Menge kleinerer Gemeinschaften, der Stämme. Die traditionelle Definition beinhaltet, dass sich Stämme durch eine ethnisch homogene Bevölkerung, eine einheitliche Kultur, ein gemeinsam bewohntes Land, aber vor allem durch klare Abgrenzung ihrer Identität gegenüber anderen Stämmen definieren. Aus diesen Gründen werden Stämme bei der Bildung von Nationalstaaten vielfach als hinderlich erachtet.
Soziolgisch:
Entscheidend für den Tribalismus ist das dahinter stehende Weltbild und die gesellschaftliche Struktur der Stammesgesellschaften. Nach Vine Deloria ist Tribalismus eine Art Gefühlszustand des „nicht alleine gelassen seins“, bei dem sich das Individuum sicher und aufgehoben fühlt. Nach Ferdinand Tönnies zeichnet sich eine Gruppe im Sinne einer Gemeinschaft im Gegensatz zur Gesellschaft durch Vertrautheit, gemeinsame Interessen und Ziele, Wertvorstellungen und Rituale aus. Tribalismus ist also als eine Form des Lebens in Gemeinschaften zu betrachten."
Was die islamische Welt angeht, sind Tattoos zwar verpöhnt,aber es gibt dort auch die Kennzeichnung der Frau als "verheiratete" Frau, indem ein Kreuz auf die Stirn tätowiert ist. Ebenso stellt sich dort auch die Frage, ob dies religiöse oder eher aus patriarchalen Stammessitten herzuleiten ist.
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